Wie schaffen wir die ökologische, klimakonforme Gemeindeentwicklung?
122 - 18.07.2022
Wie schaffen wir die ökologische, klimakonforme Gemeindeentwicklung?
Von naturnahen Grünflächen und lebendigen Bächen
Würzburg (ruf) – Wie wappnen sich Kommunen am Bayerischen Untermain künftig gegen die Auswirkungen von Klimawandel und Flächenverbrauch? Mit welchen Maßnahmen lassen sich Starkregen, Trockenheit und Hitze kompensieren? Um diese Fragen drehte sich die Fachveranstaltung „Grüne und blaue Infrastruktur in der Kommune“ am 13. Juli in Karlstein a.Main. Organisiert wurde sie von der Regierung von Unterfranken in Kooperation mit dem Umweltbeirat Karlstein im Rahmen der Flächensparoffensive.
Bürgermeister Peter Kreß sprach zu Beginn allen Teilnehmenden ein herzliches Willkommen aus und stellte den Bereich Umwelt-, Natur- und Klimaschutz der Gemeinde vor. „Wir sind froh, seit kurzer Zeit sogar über eine eigene Umweltschutzbeauftragte zu verfügen. Clara Bartke hat die grüne und blaue Infrastruktur bei uns fest im Blick.“ In der Themenhinführung verwiesen die Flächensparmanagerinnen der Regierung von Unterfranken auf die Dringlichkeit einer klimaangepassten Siedlungsgestaltung. „Wir müssen bereits jetzt - nicht erst übermorgen - anfangen, unser bisheriges Planungsverständnis zu überdenken und neue Standards zu setzen“, appellierte Anne Weiß.
Den Insekten eine Chance
Von der hessischen Kleinstadt Riedstadt kann man sich dabei einiges abschauen. Matthias Harnisch, zuständig für das Grünflächenmanagement in der Kommune, berichtete über die langen und erfolgreichen Bemühungen um mehr innerörtliche Biodiversität. Straßenbegleitgrün wurde konsequent umgestaltet und regionales Saatgut eingebracht, um mehr Naturnähe herzustellen. „Bei uns in Riedstadt mähen wir nie die komplette Fläche, lassen immer 10 – 15 Prozent stehen, um die Insekten zu unterstützen“, so Harnisch. Durch wissenschaftliche Evaluation ließ sich feststellen, dass nun etwa 150 Arten auf Flächen vorherrschen, die zuvor nur rund 20 Arten beherbergten. Allerdings: Es bedürfe noch vieler Öffentlichkeitsarbeit, um die Akzeptanz für vermeintlich unordentliches, wildes Grün im Ort zu stärken. „Die Diskussion in den sozialen Medien ist nicht gerade geprägt von ökologischem Hintergrundwissen“, bedauerte der Landschaftsarchitekt.
Ökologische Aufwertung von Bächen
Dr. Anne-Kathrin Jackel vom Sachgebiet Wasserwirtschaft der Regierung von Unterfranken erläuterte die vielfältigen Vorteile naturnaher Bäche, gerade innerorts, und stellte das Projekt „Auf zu lebenswerten Bächen“ vor. Dieses unterstützt die Wasserwirtschaftsämter bei der Beratung von Kommunen zu ökologischen Maßnahmen an Gewässern und den Fördermöglichkeiten der Wasserwirtschaft. Zudem stellte sie konkrete Maßnahmen vor, die den ökologischen Zustand kleiner Fließgewässer verbessern können. Dazu zählen etwa die Beschattung von Bächen durch Ufergehölze oder die Verbesserung der Durchgängigkeit. „Unsere Gewässer sind durchschnitten von Hindernissen, die viele Wasserorganismen nicht überwinden können“, so Dr. Jackel. „Um das zu ändern, helfen oft schon kleinere Maßnahmen im Rahmen der Gewässerunterhaltung.“
Die anschließende Forumsdiskussion sorgte für regen Austausch. Einige Stimmen aus dem Publikum sprachen sich für strengere gesetzliche Regeln aus, um eine klimafreundliche Ausgestaltung von Siedlungen zu fördern. Andere waren der Ansicht, dass man selbst auf freiwilliger Basis längst hätte begreifen müssen, wie wichtig mehr Grün und Blau für das nachhaltige Funktionieren der Gemeinden sei. In der Diskussion boten Kreisbaumeister Andreas Wosnik vom Landratsamt Miltenberg und Johannes Hemmelmann, zuständig für die Städtebauförderung bei der Regierung von Unterfranken den Kommunen an, gerne bei gemeindlichen Planungen zu beraten. Dr. Stefan Poths, Vorsitzender des Umweltbeirates, freute sich über die gelungene Veranstaltung. „So viele Gäste hatten wir bei einer Fachveranstaltung in Karlstein schon lange nicht mehr. Die hohe Teilnehmerzahl spiegelt den aktuellen Klärungsbedarf zu Klimaschutz- und Biodiversitätsfragen innerhalb des Siedlungsbereichs wider.“
Praxisbeispiel Hagbachmündung
Zum Abschluss bot Mario Pani vom Ingenieurbüro Steenken & Breitenbach eine Fußexkursion zur renaturierten Hagbachmündung an. Auf Drängen des Umweltbeirates war in Karlstein der Hagbach wieder in einen mäandrierenden, naturnahen Zustand versetzt worden. Nun ist er an manchen Stellen für Naherholung zugänglich, anderswo herrscht ein dichtes Meer an Disteln und Brennnesseln. Unordentlich fanden die meisten Interessierten das nicht – angesichts der zahlreichen Hummeln und Schmetterlinge, die sich dort tummeln.
Anlage: 4 Bilder.
Foto 1 (Sybille Bleckschmidt): Referenten und Organisatoren, v.l.n.r.: Bürgermeister Peter Kreß, Flächensparmanagerin Anne Weiß, Dr. Stefan Poths, Vorsitzender des Umweltbeirates Karlstein, Mario Pani vom Ingenieurbüro Steenken & Breitenbach, Dr. Anne-Kathrin Jackel vom Sachgebiet Wasserwirtschaft der Regierung von Unterfranken und Clara Bartke, Umweltschutzbeauftragte der Gemeinde Karlstein. Nicht im Bild: Matthias Harnisch von der Stadt Riedstadt, Flächensparmanagerin Marina Klein sowie Jutta Heilmann von der Gemeinde Karlstein.
Foto 2 (Anne Weiß): Referent Mario Pani berichtet der Exkursionsgruppe vor Ort über die Renaturierung der Hagbachmündung.
Foto 3 (Anne Weiß): Reger Andrang: Der Rudolf-Wöhrl-Pavillon war bei der Fachveranstaltung voll besetzt.
Foto 4 (Anne Weiß): Was vermeintlich unordentlich aussieht, ist wertvoll für Natur und Mikroklima. Der renaturierte Hagbach bietet vielen Insekten ein Zuhause.